Ich verlasse Twitter

Per Mitte Oktober werde ich diesen Account löschen. Wer mit mir in Kontakt bleiben möchte, findet zuunterst Möglichkeiten, das zu tun.

Nein, es ist nicht wegen Elon Musk und seinen fragwürdigen Entscheiden und Einmischung in die globale Politik, ohne Erfahrung und ohne Legimitation. Den könnte ich geflissentlich ignorieren. Es sind auch nicht die immer zahlreicher werdenden Antisemiten, Rassisten und Homophoben, die durch Musks Entscheide nicht nur wieder zugelassen werden, nein, seine Kommentare fördern sie sogar noch. DIese wären sogar ein grund hier zu bleiben und Gegensteuer zu geben. Nein, dies ist ein Rant gegen eine zunehmende, laute linke Bubble aus linken Aktivisten auf Social Media, die meint, ihre Moral sei die einzig richtige und sich selbstgefällig auf alle stürzen, die nicht 150%ig ihre Meinung teilen. Dabei richtet sich ihr Elan aus welchen Gründen auch immer gegen die falschen, sie zeigen kein Fingerspitzengefühl für Politik und zudem sind sie auch brandgefährlich.

Wer ist betroffen? Die falschen!

Ein Beispiel unter vielen: Ich verfolge seit Wochen “Sinans Woche” und andere Accounts, die es wagen, Kritik an gesellschaftspolitischen Themen zu üben, wie sie aus der linken politischen Ecke gefordert werden. Hier Sinans Twitteraccount und Youtube-Kanal. Sinan ist grün-rot versifft, Deutscher mit Migrationshintergrund, aber erdreistet sich, Fragen zu diversen Themen zu stellen, wie beispielsweise Gendersprache, Identitätspolitik oder Transfrauen. Mittlerweile wird er in die rechte Schublade gesteckt, nicht wenige bezeichnen ihn sogar als Nazi.

Nun, SInan nimmt es (noch) mit Humor, er hat sogar ein Geschäftsmodell daraus entwickelt. Seine Abonnenten spenden ihm laufend kleinere Beträge, über deren Höhe er transparent Auskunft gibt. Ich fde es toll, wie er einen kühlen Kopf behält, ich könnte es nicht, mich würde das Verhalten dieser Aktivisten zur Weissglut bringen.

Sinan ist ein Beispiel, wie linke Aktivisten auf Twitter jeden niederschreien, der auch nur die leiseste Kritik übt und ihnen deswegen nicht links genug ist – oder falsch links.

Fingerspitzengefühl? Mangelware!

Vor ein paar Tagen versendete die Väter- und Mütterberatung der Stadt Zürich einen Newsletter, der eine Empfehlung beinhaltete, die Begriffe “Elternteil” oder “Betreuungsperson” zu benutzen, wenn man über andere Familien spricht. Gut gemeint, aber die Presse griff das Thema natürlich auf und sofort folgte ein Sturm der Entrüstung der rechten politischen Seite. Soweit war das zu erwarten. Ich erlaubte mir, den Titel einer Zeitung auf Twitter zu posten und die Frage zu stellen, ob jemand noch verwundert sei, wenn die Rechte Zulauf erhalte. Sofort wurde mir vorgeworfen, ich sei jetzt da, wo die SVP mich haben wolle, ich sei der rechten Presse zum Opfer gefallen. Schuldzuweisungen überall, aber niemand fragte nach meiner Intention mit diesem Tweet und schon gar niemand versuchte zu überlegen, ob da etwa wirklich jemand ohne Fingerspitzengefühl handelte. Und was mich besonders erschreckte, es waren nicht die üblichen Aktivisten, sondern ganz “normale” Twitterer.

Das Thema ist wichtig und soll diskutiert werden, mir geht es lediglich um den Zeitpunkt, kurz vor den nächsten Parlamentswahlen. Insbesondere, da für SVP die Genderdebatte im MIttelpunkt des Wahlkampfs steht. Ich halte es mit Politologie-Professor Daniel Kübler (Uni Zürich), der dem Thema “Eskalationspotential” attestiert und sagt, der amtlichen Stelle “fehle es an politischer Sensibilität”.

Identitätspolitik? Gefährlich!

Linke Identitätspolitik wird heftig diskutiert, auch innerhalb der politischen Linken selbst. Und genau hier sind die Aktivisten besonders aggressiv. Dabei dreht sich die Diskussion meist um Universalismus (alle Menschen sind gleich) gegenüber der Identitätspolitik (Schutz von Minderheiten), ob nicht die Identitätspolitik die Linke aufspalte und damit dem Universalismus schade. Dabei geht die Gefahr von etwas anderem aus. Es geht nicht um die Thematik, Identitätspolitik UND Universalismus sind beide wichtig. Es geht um die Therapie, wie Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Die Gefahr geht also von den angewandten Methoden aus, um dem Anliegen Gehör zu verschaffen. Es wird – zumindest auf Social Media – eine richtiggehende Wutkultur aufgebaut. Mich erinnert das mittlerweile an den Marxschen Klassenkampf, bei der die “Ausbeuterklasse” durch eine Revolution eliminiert werden muss und das bestehende System zerstört werden muss. Nur: Wut erzeugt Gegenwut und so polarisieren sich die Menschen immer wie mehr, insbesondere eben auf Social Media und ganz besonders Twitter. Wer sich mit dem Thema näher befassen möchte, dem empfehle ich “Im Schatten guter Absichten. Die postmoderne Wiederkehr des Rassendenkens” des Soziologen Sebastian Wessels. Dieses Buch hat mich bisher am meisten überzeugt, dass von dieser Entwicklung eine Gefahr ausgeht, die am Schluss sogar den Minderheiten schaden kann.

Ich habe mich während meines Berufslebens sehr viel mit Kulturtheorien beschäftigt und wirklich viel Praxiserfahrung erworben. Wer erfolgreich sein will im internationalen Verkauf, dem bleibt nichts anderes übrig. Ich habe gelernt, dass kulturelle Änderungen Generationen brauchen, ausser man heisse Mao Tsetung und ziehe eine Kulturrevolution in wenigen Jahren durch. Diese Wut tut mir nicht gut. Ich spüre, wie ich selbst wütend werde. So habe ich beschlossen, mich dieser zunehmenden Wut zu entziehen und meine Zeit vermehrt wieder im realen Leben zu verbringen und Verbesserungen in kleinen Schritten mitzutragen, statt auf die “grosse Revolution” zu setzen.

Diesen Blog werde ich von Zeit zu Zeit weiterführen und über mein Leben als Rentner in den Philippinen und ab und zu in der Schweiz zu berichten. Ich würde mich freuen, wenn Ihr mit mir im Kontakt bleiben wollt. Hierzu gibt es diese Möglichkeiten:

Email: juerg.wyss@gmail.com

Threema: ID auf Anfrage

WhatsApp: ID auf Anfrage

Vorderhand schaue ich mich auf Bluesky um. Meine ID: @juerevobaern.bsky.social

11 Comments

  1. Es werden leider immer weniger mit “em Gring am rächte Platz”
    Irgendwie macht mir das ganze Gehetze auch irgendwie Angst,nach ü20 Jahren Brasilien kann ich das hiesige Gedankengut oftmals auch nicht verstehen, irgendwie ist’s Über Wohlstand gesäusel. Man sollte auf den harten Boden der Realität zurückkehren.
    Ich werde wahrscheinlich auch weiterziehen, weiss nur nicht wohin um die 🇧🇷auch zu hören.
    Bis bald

  2. Lieber Jürg.
    Ich verstehe dich nur zu gut. Wir werden zur schweigenden Mehrheit gemacht, die Brüller, Aggressiven und explosiv Empörten Brüllen alles nieder, verstehen wollen ist nicht mehr, zivilisierter Meinungsaustausch tot.
    Aber es tut mir leid, wenn ich von dir nichts mehr hören werde. Ich versuche jedenfalls mal, diesen Blog zu abonnieren. Leider bin ich noch nicht auf Bluesky, warte schon lange auf einen Zugangscode. Wie hältst du es mit Mastodon? Dort ist es halt nicht so lebendig. Ich weiss noch nicht, wo ich lande, wenn überhaupt.
    Weiterhin tummle ich mich als Communications Officer in meiner weltweiten Frauenorganisation BPW International, wo ich tagtäglich mit allem Menschlichen konfrontiert werde.
    Dir wünsche ich weiterhin Erfüllung im Leben mit den drei Fixpunkten Hedonismus, Selbstverwirklichung und Altruismus – das haben wir Rentner wohl mittlerweile gelernt – und auch verdient. Sei lieb gegrüsst und lass es dir gut gehen. Dimschu Ursula aus Chur

    1. Liebe Ursula, es wird bald mehr Zugangscodes geben. Mit Mastodon hatte ich eine schlechte Erfahrung. Das, was ich hier beschrieb, erlebte ich dort gleich zu Beginn. Daher löschte ich den Account gleich wieder. Man sieht sich im Himmel 😉

  3. Ein Verlust für mich auf Twitter, denn du warst einer derer, die mich bleiben liessen. Ein Verlust auch, wenn die Guten gehen und die anderen bleiben. Aber ich verstehe dich so gut, du sprichst mir so sehr aus dem Herzen. Ich kann diese dogmatische Moral, die keinen Dialog mehr zulässt, die sich in immer abstrusere und abgehobenere Forderungen verirrt, nicht mehr lesen. Schreiben dazu wage ich nicht, denn mein Fell ist nicht dick genug. Ab und zu entwischt mir was…

    Ich würde mich freuen, doch dann und wann von dir zu lesen. Leider kann ich dir nicht auf Sky folgen, denn ich habe für mich beschlossen, nicht noch einen Social Media Kanal zu eröffnen. Wenn Twitter down ist (oder ich raus), bleiben nur noch Instagram und Facebook. Und mein Blog.

    Liebe Grüsse zu dir und alles Gute
    Sandra

    1. Und um den Glauben an eine gerechtere Welt nicht zu verlieren, traf ich meinen Entscheid. Wie Du schreibst, es sind “gewisse” Kreise. DEnen will ich aus dem Weg gehen.

  4. Lieber Jürg
    Du hast Twitter anscheinend bereits verlassen, wie schade. Schön kann man hier weiterhin von dir lesen. Danke für all die interessanten Berichte aus deinem Leben. Es macht mir Mut, im Rentenalter auch mit wenig Einkommen über die Runden zu kommen. Ich freue mich auf weitere interessante Berichte aus deinem Leben.
    Herzliche Grüße
    Karin

    1. Liebe Karin,
      Danke für die netten Worte. Das war auch meine Absicht, Menschen in einer ähnlichen Situation Mut zu machen. Vieles ist möglich, wenn man die gewohnten Pfade verlässt.
      Ich beabsichtige tatsächlich, hier ab und zu etwas über mein Leben zu schreiben.
      Liebe Grüsse
      Jürg

  5. Lieber Jürg,
    aufgrund meiner nur noch sporadischen Anwesenheit auf Twitter habe ich erst jetzt mitbekommen, dass du diese Plattform verlassen hast. Im Gegensatz zu Dir stört mich aber nicht nur diese linke Bubble die du angesprochen hsat, sondern die generelle Einstellung Vieler, dass nur ihre Meinung die einzig Richtige sei. Das ist etwas, was mir zunehmend an die Nieren ging – und was dafür gesorgt hat, dass ich mich selbst auch zurückgezogen habe, um entsprechenden “Diskussionen” aus dem Weg zu gehen. Allerdings sind auch die immer größer werdenden rechten Accounts (sieht man sich die Wahlergebnisse auch in Deutschland an, zumindest teilweise ein Abbild der “realen” Gesellschaft) etwas, was mich stört – das von dir erwähnte “Gegensteuern” hilft hier meines Erachtens auch wenig, da Diskussionen mit “Argumenten” wie “linksgrün-versifft” im Keim erstickt werden.
    Leider bin ich (noch?) nicht auf Bluesky, nur auf Mastodon – aber auch da ist nicht alles Gold, was glänzt.

    Ich werde deinen Blog weiter verfolgen und vielleicht sieht man sich ja doch irgendwann auf Bluesky 😉

    Liebe Grüße,
    Jörg

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