Das Fräulein stand am Meere – Heinrich Heine

Heinrich Heine springt fast aufgeregt von einem Bein auf das andere, die Feder in der Hand, Augen weit.

Heine: „Schau nur! Das Wasser glitzert wie Smaragde! Die Palmen, die Strände – Siquijor ist ein wahres Paradies!“

Ich lehne mich zurück, die Hände auf das Geländer gelegt, blicke auf die glitzernden Wasserfälle und den Sonnenuntergang über San Juan. Ein ruhiges Lächeln im Innern, ein beständiges, stoisches Glück.

Ich: „Ja, sie glänzen… aber die Plastiktüten hängen wie bunte Mahnmale in den Büschen, Strom ist launisch, Wasser unterbricht. Heute geht alles unter, vorbei, morgen kommt es wieder.“

Heine lacht auf, springt einen Schritt zur Seite, wirbelt leicht umher, die Feder in der Luft.

Heine: „Aber gerade diese Unvollkommenheit macht alles lebendig! Siehst du die Farben, die Kontraste? Jede kleine Unzulänglichkeit ist ein Kunstwerk! Du musst doch begeistert sein!“

Ich lehne mich weiter zurück, atme tief ein.

Ich: „Stoisch bedeutet nicht, dass ich unempfänglich bin. Ich genieße den Sonnenuntergang, das Glitzern, die Ruhe – aber ohne das Herz in Wallung zu bringen, ohne dass die Schönheit mich überfordert. Ein innerliches Glück, das beständig bleibt, egal was geschieht.“

Heine stutzt, kratzt sich am Kopf.

Heine: „Aber wie kannst du das genießen, ohne vor Begeisterung fast zu springen?“

Ich: „Weil das Glück nicht laut sein muss. Heute unter, morgen wieder da – egal wo.“

Heine wirbelt wieder umher, zeigt auf die Wasserfälle, dann auf die Sonne, die langsam ins Meer taucht.

Heine: „Und die Wasserfälle! Sie singen! Kannst du das nicht hören? Das ist Musik des Lebens!“

Ich: „Ich höre sie. Und erinnere mich an Dutzende Fälle. Rhein, Staubbach, Trümmelbach, jeder klingt anders. Für dich mag es überwältigend sein, für mich ist es Wiederholung, die man lernen muss. Staunen, das im Bewusstsein lebt, nicht im Überschwang.“

Heine bleibt stehen, blickt fragend, dann langsam verständnisvoll auf die Sonne.

Heine: „Und die Sonne! Sie taucht alles in Gold! Das ist… unbeschreiblich!“

Ich: „In deinem Dichterstil würdest du jetzt sagen… ‚Mein Fräulein! Seien Sie munter, das ist ein altes Stück; hier vorne geht sie unter…‘“

Heine lacht, plötzlich nachdenklich, setzt sich auf die Verandakante, kritzelt in sein Notizbuch.

Heine: „Moment… Vielleicht verstehe ich dich jetzt ein wenig. Dieses ruhige Staunen… Ich könnte daraus ein Gedicht formen!“

Ein paar Wochen später, ich bin nach Dauin umgezogen, sitzen wir nebeneinander, die Füße leicht angewinkelt, Blick aufs Meer. Ich denke an Siquijor zurück: „Stromausfälle, Wasserknappheit, die Preise flattern wie lose Blätter…“

Heine springt auf, gestikuliert leicht, Feder in der Luft.

Heine: „Weißt du, unser Gespräch über Sonnenuntergänge, Wasserfälle, deine ruhige Freude – es hat mir ein Gedicht geschenkt! ‚Das Fräulein stand am Meer‘.“

Ich lehne mich zurück, die Hände auf dem Geländer, die Wellen betrachtend. Erinnerungen an Siquijor, Unzulänglichkeiten, Unruhe und Staunen mischen sich im Geist.

Ich: „Ah… also war das alles der Samen. Staunen, Unzulänglichkeiten, Sonne – alles wird zu Versen. Und egal, wohin wir ziehen, sie bleiben. Man lernt, sie zu erkennen, zu akzeptieren und ruhig weiterzugehen.“

Heine wirbelt herum, kritzelt in sein Notizbuch.

Heine: „Aber gerade daraus entsteht die Schönheit! Heute unter, morgen wieder da – alles vergeht, alles wiederholt sich. Und wir schreiben Verse darüber, die bleiben.“

Ich nicke, die Augen aufs Meer gerichtet.

Ich: „Stoisch sehen heißt nicht kalt sehen. Das Akzeptieren dieser Realität erlaubt erst, das Schöne zu erkennen – nicht nur das flüchtige, einmalige Glück, das Hochgefühl des Augenblicks, sondern das beständige, ruhige Glück, das bleibt, ohne sich zu verlieren. Ob Strände, Wasserfälle oder menschliche Kompromisse – alles hat seine Unzulänglichkeiten. Die klare Wahrnehmung dieser Realität macht es möglich, das wahre Schöne bewusst zu genießen, ruhig zu staunen und weiterzugehen.“

Heine kritzelt, schaut auf, die Augen leuchtend.

Heine: „Jeder Moment ist ein Gedicht, und du siehst es nüchtern – perfekt! Ohne deine Beobachtung wäre meine Begeisterung nur heiße Luft.“

Ich lächle, trete einen Schritt zurück, spüre das ruhige Glück, das Stoische in mir.

Ich: „Dann schreiben wir. Beobachten, staunen, akzeptieren – und weiterziehen.“

Heine lehnt sich zurück, lächelt, kritzelt die letzten Worte.

Heine: „Jede Welle, jede Wolke, jede Bewegung – Theater, Gedicht, Leben!“

Originalgedicht von Heinrich Heine – Das Fräulein stand am Meere

Das Fräulein stand am Meere

Und seufzte lang und bang,

Es rührte sie so sehr

Der Sonnenuntergang.

„Mein Fräulein! Seien Sie munter,

Das ist ein altes Stück;

Hier vorne geht sie unter

Und kehrt von hinten zurück.“

(1832)

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