Der Schuss von der Kanzel – C.F. Meyer

Ich sitze im Café. Beine schwer, vom Einkaufen durchgeschüttelt. Kein Supermarkt, alles verstreut: Gemüse da, Milchprodukte dort, Metzger in der dritten Parallelstraße. Ich stolperte von Laden zu Laden, die Einkaufstaschen quietschten. Vor mir kämpft ein Hund mit dem Kehrichteimer, als hinge sein ganzes Leben davon ab. Er verliert. Ich nicke.

Dann hält ein Polizeiauto direkt vor mir. Lautsprecher an. Rauschen. Brummen. Ich spitze die Ohren. Polizeifunk? Blaulicht? Sirene? Ich warte auf die Meldung, die mein Leben verändern wird. Auf den Schuss von der Kanzel. Finger am Kaffee. Aua, verbrannt. Zuckerstreuer kippt um. Die Tasche rutscht vom Stuhl. Ich fange sie auf. Nur fast. Spiegelnde Sonnenbrille des Fahrers reflektiert mein verzerrtes Gesicht. Weiter lauschen.

Die Minuten ziehen sich. Ich wische Kaffeespritzer von der Hose, stoße fast den Becher um, der Hund versucht wieder, den Kehrichteimer zu erklimmen – diesmal erfolgreich. Mein Herz rast.

Herzrasen. Da taucht immer wieder die Erinnerung an mein Koma auf. Als der Arzt meinen Söhnen sagte, ich könnte auch als Stück Lauch aufwachen – genau diese Worte. Sie lachten, Sarkasmus als Schutz gegen den Schock, und ich verzeihe es ihnen. Egal. Wichtig ist nur: Ich habe einen Herzschrittmacher. Die Büchse rast nicht mehr, kann gar nicht, sie stupft einfach mein Herz wie ein Metronom an. Stetig, monoton, alltagstauglich. Nur beim Treppensteigen bringe ich sie zum Tanzen, klopfe auf die Brust, damit das Herz schneller pumpen soll. Für mich wichtig, für euch nicht relevant. Also zurück zum Polizeiauto.

Der Lautsprecher hat aufgehört zu plärren. Die beiden Polizisten steigen aus. Einer streckt sich, als hätte er zehn Stunden im Auto geschlafen, der andere kratzt sich am Hinterkopf, so als überlegte er, ob Amen wirklich schon gesagt wurde. Kreuzzeichen. Laut: „Amen.” Predigt. Radio. Keine Meldung. Kein Einsatz. Nur ein Gottesdienst mitten auf der Straße. Die Sirene bleibt stumm, das Blaulicht aus, der Hund schaut fragend zum Auto hoch, als wolle er wissen, ob er etwas verpasst hat.

Ich sitze da. Finger klebrig. Kaffee halb kalt. Hund voll zufrieden. Die Tasche halb unter dem Tisch. Inhalt verstreut. Polizei mittendrin, ganz ernst. Und ich lache. Minuten lang habe ich auf die eine Meldung im Polizeifunk gewartet – und kriege einen Gottesdienst serviert.

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