Son Goku – Mein Superheld

Cromwel of Amilim “Goku” ist mein Belgischer Schäferhund, ein Malinois. Malinois sind eh keine einfachen Hunde für Anfänger, aber einen hier in den Philippinen zu halten, ist eine grosse Herausforderung. Eine Herausforderung, die mich des öftern an die Grenzen meiner erzieherischen Fähigkeiten bringt, obschon ich kein Neuling im Umgang mit Hunden bin. Über diese Herausforderungen und meine Art damit umzugehen, möchte ich heute mal berichten.

Gokus Stammbaum – also der von Cromwel of Amilim

Warum ein Malinois

Ich wollte einen Hund, der Respekt einflösst. Mit meinen karitativen Projekten hier habe ich doch eine stattliche Anzahl an Maschinen und Computern, wo ein Schutz in einem Land mit einer vergleichbar hohen Kriminalitätsrate sinnvoll ist. Ich wollte auch einen Hund von einem Züchter und keinen “Askal”, Tagalog für “Strassenhund” (darüber später mehr). Da bleiben hier genau drei Rassen übrig: Rottweiler, Deutsche und eben Belgische Schäferhunde. Modehunde wie Chihuahuas kamen nicht in Frage. Ansonsten sind die Wahlmöglichkeiten sehr bescheiden.

Ja gut, mit diesem Spleen in seiner Kindheit war er nicht wirklich respekteinflössend – Macht er aber heute nicht mehr

Respekt sollte auch sein Name einflössen. Eines der Kinder aus meinem Computer Camp fand “Goku” passend, nach dem Helden der Anime-Serie “Dragon Ball Z“, die hier bei Kindern und Erwachsenen beliebt und bekannt ist. Und wie ich mittlerweile feststellte, flösst der Name auch tatächlich Respekt ein. Das Zucken der Menschen hier ist nicht zu übersehen, wenn ich meinen Hund rufe.

Das besondere an Goku

Cromwel of Amilim, oder eben “Goku”, hat Stammbaum. Das heisst in den Philippinen nicht viel, mir wäre nicht bekannt, dass Züchter irgendwelche spezifischen Anforderungen erfüllen müssten. Es heisst höchstens, dass es keine Inzucht ist und zumindest von dieser Seite her keine entsprechenden gesundheitlichen Folgen zu befürchten sind. Aber der Züchter ist immerhin Filipino und nicht Amerikaner. Das gab mir Zuversicht, dass ich es nicht mit einer Kampfmaschine zu tun haben werde. Bei den ehemaligen US-Militärs die hier ihren Lebensabend verbringen und solche Hunde in der Regel züchten, wird das als anzustrebendes Zuchtziel angesehen.

Wie sich jedoch bald herausstellte, war Goku sehr, sehr schlecht sozialisiert. In den ersten 4 Lebensmonaten beim Züchter sah Goku kein anderes Lebewesen als seine Besitzer, seinen Vater Buddy und seine Mutter Amelie, die Geschwister und Passanten, die am Gartentor vorbeiliefen und von Buddy und Amelie regelmässig verbellt wurden. Das ist, was Goku lernte. Die Tatsache, dass ich 2020 aus medizinischen Gründen in die Schweiz zurück musste und dann eineinhalb Jahre nicht zurück in die Philippinen konnte, war nicht gerade hilfreich. Als ich zurückkam war Goku schon 3 Jahre alt und somit ein erwachsener Hund.

So ein Käfer ist etwas unbekanntes und muss vorsichtig untersucht werden – Mit entsprechenden Tönen

Das gleiche gilt für den Krebs – Auch das muss musikalisch untermalen werden

Ein Hund kann vier Strategien haben, wie er mit Konflikten (unbekannte Situation, etwas bedrohlichem) umgeht. Die 4 F: Freeze (Einfrieren), Flirt (auch spielen, albern), Flight (Flüchten) oder Fight (Drohen, kämpfen). In seiner Sozialisierungsphase in der ersten Monaten ist “Fight” leider genau das, was er lernte. Die Menschen passierten das Gartentor, wurden angebellt, liefen weiter, in seinen Augen wurden sie erfolgreich vertrieben. Das ist auch heute noch seine hauptsächliche Strategie. Wir machten nach meiner Rückkehr zwar kleine Fortschritte, aber es ist 5 Schritte nach vorne und 4 zurück. Erwische ich ihn genau dann, wenn er lospreschen will, kann ich ihn stoppen. Aber wehe, ich bin eine Zehntelsekunde zu spät, oder mehr als 3 Meter von ihm entfernt, dann habe ich keine Chance. Dann fällt er in sein altes Verhaltensmuster und da ja die Leute oder Hunde vor dem Gartenzaum weitergehen, wird er wieder bestätigt, dass sein Verhalten halt doch gut ist, schliesslich hat er ja diese “errfolgreich vertrieben”. Sein ausgeprägtes Territorialverhalten trägt dazu bei, dass das eine grosse Heausforderung ist.

Goku ist kein Schmusehund. 2 Mal täglich bettelt er um eine Massage, aber ansonsten kommt er nie von sich aus “kuscheln”. Spielen tut er gerne, jedoch fragt er nur ganz selten von sich aus danach. Bei Berührungen schüttelt er sich seinen “Stress” ab, wobei das nicht falsch zu verstehen ist. Es gefällt ihm und schliesslich gibt es auch “positiven Stress”. Es gefällt ihm so gut, dass er quasi “Gänsehaut” bekommt, die er dann abschüttelt. Spielen und soziale Berührungen sind für ihn daher wenig motivierend. Im Gegensatz zu Leckerlis, da tut er (fast) alles dafür, dazu muss er nicht einmal hungrig sein. Aber sein “will to please”, der Wille zu gefallen, läuft bei ihm auf Sparflamme. Mit mangelnder Bindung zwischen uns hat das nichts zu tun. Er geniesst seine Massagen, wenn ich ihn hinter den Ohren kraule, grunzt er wie ein Schweinchen (ja, er hat eine Fremdsprache gelernt) und bei Gewitter oder unbekannten Geräuschen kommt er sofort in meine Nähe.

Rückkehr nach über eineinhalb Jahren – Die Freude war beidseitig riesig

Gemeinsam am Meer

Goku ist ein gescheiter und folgsamer Hund, sofern die Ablenkung im Rahmen ist. Er gehorcht, wenn auch mal mit einem Murren verbunden, er läuft mit lockerer Leine, er beachtet mich und hält oft Augenkontakt. Die meisten anderen Hunde und vorallem Katzen kann er jedoch nicht ausstehen. Mehr dazu weiter unten.

Noch etwas zu seiner Sozialisierung: Als Goku mit 4 Monaten zu mir kam, war er praktisch stubenrein. Jedoch, wenn wir im Garten trainieren und er zuvor einen Haufen liegen liess, weigert er sich standhaft, mit mir in der Nähe zu laufen. Er weicht aus. Ich sah so ein Verhalten noch nie. Fèr mich gibt es dazu nur eine Erklärung, der Züchter drückte ihm nach uralter Manier die Schnauze in den Kot, wenn er an einem unpassenden Ort seinen Haufen liegen liess.

Hunde und ihre Besitzer in den Philippinen

Fast alle Familien in den Dörfern haben einen “Askal”, Filipino (Tagalog) für “Strassenhund”, wobei sie nicht als eigentliche Strassenhunde leben, sondern in der Regel jemandem gehören, aber tagsüber in der Gegend rumstreunen und nur Abends nach Hause gehen. In der Regel sind es laute Kläffer, sehr scheu und ängstlich und tun nichts. Aber es gibt auch die anderen. Agressive Hunde, die auch schon mal angreifen, besonders, wenn sie als Meute daherkommen und sich gegenseitig aufstacheln. Dann bist Du in wenigen Augenblicken umzingelt. In meiner unmittelbaren Nachbarschaft gibt es in jeder Richtung so eine Meute und mit Goku spazieren ist jedesmal ein Nervenstress, denn dieser lässt sich das nicht gefallen. Dann ist Schluss mit “Bei Fuss” laufen. Bisher habe ich noch kein Mittel gefunden, das zu verbessern. Klar könnte ich die bellenden Hunde vertreiben, aber dann bestätige ich Goku nur darin, dass solches Gebaren mit “Fight” beantwortet werden muss. Ausweichen, was Hunde in so einem Fall tun, ist höchstens bei Ebbe möglich,nicht aber bei Flut, wo manchmal nur gerade 2-3 Meter zwischen Meer und dem Territorium dieser Hunde liegen. Ablenkung mit Leckerli ist nur eine Symptombekämpfung, aber keine langfristige Lösung, damit Goku diese Hunde ignoriert.

Er kann so lieb sein, wenn er seine U-Bahn-Tunnels baut

Für etliche Trainingslektionen würde man “Statisten” benötigen. Beispielsweise für die Begrüssung von Menschen, Verhalten am Zaun, Kindergeschrei usw. Nur wo finden? Filipinos haben vor Hunden wie Goku riesige Angst. Mein Nachbar erzählte mir, dass Leute sogar auf Bäume geklettert sind, als er mit seinem Malinois spazieren ging.

Hundebegegnungen zu forcieren wäre auch eine Möglichkeit. Jedoch habe ich gute Gründe, das nicht zu tun. Viele der Askals sind krank und ich möchte wirklich nicht, dass sich Goku ansteckt. Die Abdeckung mit Veterinären und die Verfürgbarkeit von Medikamenten sind nicht über alle Zweifel erhaben (weiter unten dazu mehr).

“Hundeschule!” höhre ich Euch schon rufen. Tja, Filipinos kümmern sich so wenig um ihre Askals, dass es bis vor kurzem in der ganzen Provinz keine einzige Hundeschule gab. Keine Nachfrage. Erst kürzlich eröffnete eine Amerikanerin jedoch eine Schule. Ich sah ihre Filmchen im Internet und wusste sogleich, dass ich da nicht hingehe. Typisch für Amerikaner, arbeitet sie mit Elektrohalsbändern. Die lösen, bei unerwünschtem Verhalten, per Funk gesteuert einen Elektroschlag aus. In Europa verboten, ist das immer noch eine gängige Methode in Amerika und auch in den Philippinen.

Was tun denn die anderen Ausländer mit ihren Rottweilern und Schäferhunden? Nun, man hört sie jeweils stolz im Restaurant schwärmen, wie gefährlich ihre Kampfmaschinen sind. Tagsüber im Zwinger oder an der Kette, werden diese nur Nachts auf dem Grundstück laufen gelassen. Genau das, was ich nicht will.

Die Mühe, die Hundehütte zu bauen, war vergebens – Zu heiss

Eine andere Herausforderung sind Veterinäre. Es gibt in der Provinzhauptstadt eine handvoll Veterinäre. Völlig überteuert wäre das eine. Aber sie werden hauptsächlich für Nutztiere gerufen, mit Hunden kennen sich wenige aus. Dementsprechend klein ist auch die Auswahl an Medizin. Goku hätte mal eine Ohruntersuchung benötigt, die der Veterinär nur mit einer Narkose ausführt. Er hatte nicht den Hauch einer Chance, Goku die Injektion zu verabreichen. In Europa könnte in so einem Fall Acepromazin gegebn werden, einem Beruhigungsmittel, das Hunden vor einer Narkose gegeben wird. Das Medikament gibt es in Tablettenform, nur nicht in den Philippinen. Hier ist es nur als Injektion verfügbar. Eine Injektion, damit ich dem Hund eine Injektion verabreichen kann? Ihr seht das Problem…

Nebenbei bemerkt, Goku ist kastriert. Ich bin zwar kein Fan davon, aber bei hunderten von freilaufenden Hunden ist ein testosteron-gesteuerter Mailnois-Rüde das Letzte, was man will.

Massnahmen

Vorderhand ist an einen Freilauf nicht zu denken. Am Strand laufen wir bei Flut an der kurzen Leine. Sofern Ebbe herrscht und wenn ich Goku mehr Auslauf geben kann, kommt auch die Schleppleine zum Einsatz. Jedoch halte ich die immer fest, die lasse ich nie los. Noch nicht. Das könnte der nächste Schritt sein, aber dann nur mit Maulkorb. Wobei ich mir da noch unsicher bin, ob und wann ich das tun werde. Was, wenn ich die Schleppleine nicht zu fassen kriege, er auf ein Rudel kampfbereiter Askals zurennt und dort in einen Kampf verwickelt wird? Er mit Maulkorb? Die Askals jedoch mit fletschenden Zähnen?

Spaziergänge passe ich zeitlich an Flut und das Auftauchen anderer Hunde an. Obschon “vermeiden” keine langfristige Taktik sein kann, bleibt mir im Moment nicht viel anderes übrig, wenn wir aus dem Spaziergang ein Vergnügen und keine “Massenschlägerei” machen wollen.

Training Leinenführung am Strand – Vorbidlich, wie Goku häufig den Blickkontakt sucht

Entgegen meiner ursprünglichen Absicht, Goku Nachts draussen schlafen zu lassen, schläft er heute im Schlafzimmer am Boden. Ich habe festgestellt, dass das viel für eine bessere Bindung beigetragen hat. Trotzdem muss ich keine Angst habem, dass jemand die Maschinen oder Computer in der Baracke nebenan klaut. Auch so gibt Goku laut, wenn er was hört.

Malinois sind Arbeitstiere und müssen körperlich ausgelastet sein. Sagen alle. Im Falle von Goku trifft das nicht zu. Je mehr ich mit ihm etwas unternehme, desto unruhiger wird er. Zwei bis dreimal Nasenarbeit während je 10-15 Minuten im Garten genügen, danach ist er so kaputt, dass er zwei bis drei Stunden schläft und nicht einmal mitbekommt, wenn sein meistgehasster Nachbarshund vorbeigeht. Die Nasenarbeit besteht oft in der Suche nach roten (!) Würstchen. Die sieht er kaum (Hunde sehen rot sehr schlecht), so bin ich sicher, dass er die Nase einsetzen muss. Zudem schwimmt er gerne und ein paar Minuten schwimmen bewirken bezüglich körperlicher Auslastung soviel wie eine Stunde laufen.

Nach 10-15 Minuten Nasenarbeit schläft Goku locker ein paar Stunden

Eine weitere Herausforderung sind Besucher, mehrheitlich dann, wenn es sich um FIlipinos handelt. Da ist mal ihre Angst vor solchen Hunden wie Goku, aber auch ihr Gehabe. Lautes Schwatzen, rudernde Armbewegungen, rumrennen oder plötzliches Aufstehen sind Handlungen, die Goku nicht geheuer vorkommen. Aus diesem Grund muss ich ihn leider anbinden, wenn Besucher da sind. Es kam öfters vor, dass er aufsprang und wohl zugeschnappt hätte, wenn die Person in seiner Reichweite gewesen wäre. Genau so, wie das in seinen Genen programmiert ist, wenn sich ein Schaf – aus seiner Schäferhundsicht – nicht gebührend benimmt.

Mein Nachbar, bald 80-jährig, spaziert mit seinen Hunden und schlägt Tenissbälle ins Meer. Sofort rennen die Hunde los. Gemeinsame Spaziergänge mit ihm und Goku musste ich deswegen einstellen. Das lospreschen auf alles, was sich bewegt, ist Gift für Gokus Verhalten. Ich arbeite zwar auch mit Ball holen, apportieren und Reizangel, aber ich achte peinlich darauf, dass Goku erst losrennt wenn ich es ihm erlaube und sofort stoppt, wenn ich ihm das Kommando gebe. Überhaupt steht das Thema “Impulskontrolle” im Zentrum meiner Arbeit mit Goku.

Fazit

Als ich Goku beim Züchter abholte, war mir nicht andeutungsweise bewusst, was es heisst, so einen Hund in einem Land wie den Philippinen zu betreuen. Falls Du auswanderst (oder es bereits bist) und Dir den Kauf eines Hundes überlegst, schaue Dir zunächst mal die Situation und das Umfeld an. Gehe nicht davon aus, das alles so ist wie zu Hause.

Wie verhalten sich die Hunde? Wie steht es mit Veterinären? Ich beispielsweise verzichte hier auf ein Auto. Zum Glück kenne ich den einzigen Veterinär, der Hausbesuche macht. Mit einem Malinois hast Du hier keinen Zutritt im Bus oder den Jeepneys. Bist Du bereit, praktisch dauernd für Deinen Hund da zu sein? Denn es erfordert viele Stunden tagsüber, immer auf der Hut zu sein und Pöbeleien am Zaun zu verhindern.

Nun, ich liebe den Hund und bin bereit, diese Herausforderungen anzunehmen und ihm ein gutes Leben zu bieten, so gut, wie das eben möglich ist. Seine Alternative wäre mit 99% Wahrscheinlichkeit gewesen, seine Zeit tagsüber in einem Zwinger zu verbringen und Nachts auf dem Grundstück alles zu verbellen, was sich bewegt. Das ist, wie solche Hunde hier sonst gehalten werden.

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