4 Seasons

Mit dem WIntermantel und Snowboots nach Singapur, da passt der Titel Four Seasons doch recht gut, oder? Oder wieso das Fourseasons in Hong Kong mein Lieblingshotel ist? Dieser Beitrag handelt von meinem beruflichen Werdegang und ist nicht minder mit Details gespickt, die Triggerpotential haben. Doch der Reihe nach.

Im Grunde bin ich ein fauler Mensch. Prokrastination ist eine meiner Stärken. Das meiste erledigt sich eh von selbst. Und die Liebe zum Unvollkommenen (andere sagen ihm Paretoprinzip) ist in meiner DNA. Das begann schon in der Schule. Hausaufgaben schrieb ich oft ab, im Zeichnen war ich so eine Banause, dass ich mir vom Besten alles vorzeichnen liess, was ich dann nur noch ausmalte. Ich schwänzte schon in der 3. Klasse für 2 Wochen die Schule, weil ich den Lehrer nicht mochte. Ich war auch der einzige in der Klasse, der vor der Matur noch in die Sommerferien reiste, per Interrail nach Skandinavien. Was ich nicht mitbekam: In genau diesem Jahr wurden die Sommerferien in Bern von 6 auf 5 Wochen gekürzt und ich kam mit einer Woche Verspätung zurück in die Schule.

Ich habe aber auch eine zielstrebige Seite, eine Kämpferseite, und es war die, die schlussendlich zu einem Burnout und einem Kammerflimmern führten.

Ursprünglich wollte ich ja Geschichte und Geographie studieren und Gymnasiallehrer werden. Hans-Ulrich Jost (mein Geschichtsprofessor an der Uni Bern) mit seinen doch eher absolutistischen Lehren, der Rektor meines Gymnasiums der mir die Gelegenheit gab als sein Stellvertreter zu lehren und ein Freund, Sohn eines anderen Geschichtsprofessors, der mit Summa Cum Laude abschloss und doch keine Stelle fand, sie alle waren für einen ersten grossen Schwenk der Auslöser. Journalismus? Gab es als Studium nicht und alle Firmen, die Praktiken anboten, verlangten ein Wirtschaftsstudium. Geschichte war nicht von Interesse.

Zufälle spielen oft eine grosse Rolle. Während meiner Offiziersschule (ja, Maos Rotes Büchlein hatte ich inzwischen weggelegt) lud uns die Contraves zu einer Informationsveranstaltung ein. Contraves war die Firma, die die Radargeräte der Mittleren Fliegerabwehr herstellten. Ich verliess den Tag mit einem Angebot, “on the job” in die Informatik einzusteigen. Auch hier gab es damals kein Studium in der Schweiz. Grossfirmen mussten für die Ausbildung der Fachkräfte selbst sorgen. Nun, als Berner fiel es mir nicht im Traum ein, nach Zürich arbeiten zu gehen. Ich fand, sowas müsste es doch auch in Bern geben, nahm das Telefonbuch zur Hand und fragte bei allen Firmen an, die sich so eine grosse, wassergekühlte Blechkiste leisten konnten und fragte, ob sie “on the job” Informatiker ausbilden würden. Bei der Hasler AG (heute Ascom) hatte ich Glück. Und da begannen wirklich spannende Zeiten.

Alles Neue fasziniert mich

Ich war mein ganzes Berufsleben lang am Aufbau neuer Organisationen oder der Einführung neuer Produkte oder dem Aufbau neuer Märkte beteiligt. Der Betrieb von etwas bestehendem hat mich nie interessiert.

Bei der Hasler AG war ich im kleinen Team, das die manuelle Lagerverwaltung auf Informatik umstellte. Später kam mir diese Erfahrung zu Gute, als ich für NCR bei der K+W Thun (Konstruktionswerkstätte, heute RUAG) die Stücklistenverwaltung für den Panzer Leopard einführte. In der letzten Arbeitswoche leistete ich noch fast 50 Überstunden, da sonst die logistische Einführung des Panzers in der Armee gescheitert wäre. Ja, die angesprochene Faulheit betrifft nur mich. Geht es um andere, kann ich fleissig sein… Und mit neuem sollte es weiter gehen.

Die ersten Emails und PC

Irgendwann landete ich bei der Schweizerischen Volksbank, damals die viertgrösste Bank in der Schweiz und weltweit tätig. Die SVB wurde später durch die Credit Suisse übernommen, die ja kürzlich auch ein Übernahmekandidat wurde. Zunächst baute ich die Kapazitätsplanung für die IBM-Mainframes auf. So eine Blechkiste kostete locker 24 Millionen Franken und hatte eine Lieferzeit bis zu drei Jahren, da machte es Sinn, einiges in die Planung zu investieren. Noch keine 30 Jahre alt, lernte ich in dieser Position, wie man auf Stufe Verwaltungsrat diskutiert. Schliesslich mussten sämtliche derart grosse Beschaffungen dem VR vorgelegt werden.

Dann hatte einer meiner Chefs die glorreiche Idee, dass man sich doch mal mit elektronischer Post, diesen komischen und sauteuren PC (mein Arbeitsplatzgerät kostete damals uber 40’000 Franken), elektronischen Archiven und dergleichen befassen müsse. Noch glorreicher (für mich) war seine Idee, mir diese Aufgabe zu geben. Damit wurde ich der mit Abstand jüngste Unterabteilungsleiter. Zunächst waren wir ein Team von 4 Leuten, dass schlussendlich auf über 30 wuchs. Wir führten Pilotprojekte durch und inn persönlichen Gesprächen mit den Bankern musste ich jeden Beschaffungsantrag für einen PC überprüfen, ob der aus bankfachlicher Sicht Sinn macht. Ich lernte in dieser Zeit wohl mehr über Banking als mit einer Banklehre.

So nebenbei wurde ich auch in das vierköpfige Kernteam delegiert, das die Informatikstrategie für die Bank für die nächsten 10 Jahre erarbeitete. Wahrlich eine schöne Aufgabe für so einen jungen Schnaufer wie ich es war.

Bei der “Gruppe für angewandte Informatik”, damals eine Tochter der Schweizerischen Rückversicherungsanstalt, durfte ich den dazumal neuen Geschäftsbereich “Büroautomation” aufbauen. Dazu gehörte die Beratung namhafter Firmen in der Schweiz in diesem Technologiebereich.

Osteuropa

In meinem jugendlichen Übermut landete ich im Verkauf. Bei einem Start-Up, heute eine angesehene Firma, sollte ich Informatiklösungen für Banken verkaufen. Mir wurde nach einer kurzen Zeit die Verantwortung für Osteuropa übertragen. Demos für die Sowjetische Staatsbank, grosse Banken in Polen, Ungarn oder in der damaligen Tschechoslowakei, der Osten hatte nach der Öffnung einen ungeheuren Nachholbedarf. Das lief kurze Zeit gut, mit ein paar erfolgreichen Abschlüssen, bis der Mutterkonzern in Schwierigkeiten geriet und die noch junge Firma verkaufte. Strategieänderung, Konzentration auf Westeuropa, für mich kein Weg den ich einschlagen wollte, mein Lebensmittelpukt war mittlerweile in Budapest. Also wurde ich Berater für Banken bei der IFA (damals Institut für Atomation, einer UBS-Tochter) für Osteuropa. Doch hatte die UBS irgendwann mal etwas gegen unsere Aktivitäten (wie ich später lernte, waren wir eine direkte Konkurrenz zu einer internen Organisation) und befahl den Rückzug aus diesem Gebiet. So gründete ich mit zwei weiteren Personen ein Beratungsunternehmen, das erfolgreich Banken in ganz Osteuropa im Bereich Organisation beriet. Da gab es lustige und weniger lustige Erlebnisse. Da war mal der Verwaltungsratpräsident einer polnischen Bank, der mir per Handschlag den Vertrag für eine Beratung gab. Anlässlich einer Vernissage, unter dem Tisch liegend und nach einem gefühlten Fass Vodka über all die Leute lachend. Oder die dringende Reise nach von Polen nach Ungarn, für die mir der Chef einer Bank seinen Privatwagen auslieh. Nur an der Grenze zur Slowakei wurde mir die Ausreise damit verweigert, er sei nicht geprüft. Ich kenne Leute, denen die Einreise in ein Land verboten wurde. Aber die Ausreise? Nun, den Stempel hatte ich, logisch, dass ich in der Schweiz sofort den Pass wechselte. Nach einer weiteren Irrung, ein paar bezahlten Schmiergeldern und einem anderen Auto, versuchte ich nochmals auszureisen. Vergeblich, diesmal war das Auto geleast und hatte einen Eintrag “Export verboten”. Nun, schlussendlich kam ich doch noch in Ungarn an, mit einem Taxi. Zuvor jedoch fragten sich Zöllner, was denn ein Schweizer an der slowakisch-ungarischen Grenze, nahe zur Ukraine in einem polnischen Taxi so treibe und zerlegten das Auto fast in seine Einzelbestandteile. Oder der Berater einer Schweizer Bank, der mir Schmiergelder anbot, falls ich meinen Kunden in Zagreb davon überzeugen würde, sich für ein Produkt dieser Bank zu entscheiden. Oder die Pistole am Fenster, als ich eines Nachts auf einem Parkplatz schlief. Der Räuber war mit dem Geld im Handschuhfach zufrieden, das ich für etwaige Bussen (siehe unten) reserviert hatte. Oder Banken, die von einem Tag auf den anderen geschlossen wurden, weil sie von kriminellen Organisationen gegründet wurden. Oder Banken, die mir gefälschte Obligationen als Zahlung anbieten wollten. Oder die Schweizer Firma, für die ich einen Auftrag ausführte, die dann bankrott ging. Den Schuldschein über eine hohe 5-stellige Summe besitze ich heute noch.

Es war eine verrückte Zeit, Osteuropa nach der Öffnung. Mit viel Alkohol (das gehörte in Osteuropa einfach dazu, Punkt) und den abgespuhlten Kilometern. In dieser Zeit fuhr ich pro Jahr rund 150’000 Kilometer. Das entspricht dem, was ein durchschnittlicher Taxifahrer pro Jahr fährt. Soviele Kilometer ohne Autobahnen. Es versteht sich fast von selbst, dass meine damaligen Autos alle getunt* waren und ich mich selten an die Verkehrsvorschriften hielt. Die Bussen waren unter der Hand jeweils in einem bezahlbaren Rahmen (siehe oben). Aber irgendwann wurde es mir zu verrückt und ich beschloss, wieder in die Schweiz zurückzukehren.

*Gestohlen wurden sie daher auch gerne, zweimal insgesamt, einmal gar von einem bewachten Hotelparkplatz.

54 Länder

Zurück in der Schweiz heuerte ich als Global Account Manager für die eine grosse Bank bei Digital Equipment an. Das ist die Firma der Ken Olsen vorstand, dem so Zitate zugesprochen werden wie: “Niemand braucht zu Hause einen Computer” oder “Würden Sie Ihr Geld einer Bank anvertrauen die UNIX benutzt?”.

Als Global Account Manager (GAM) betreute ich einen der grössten Kunden der Firma. Mein zu erzielendes Budget betrug bis zu 180 Millionen Dollar in einem Jahr. Ich war global für diesen Kunden zuständig, ich hatte ein grösseres Team an Verkaufsleuten in der Schweiz und ein virtuelles Team in jedem Land, in dem mein Kunde eine Niederlassung hatte. Die Erwartungen des Kunden entsprachen nicht immer meinen Kompetenzen, aber ich nahm sie mir sehr oft einfach. Ich sagte mal, dass 20% meines Jobs ist, eine Idee dem Kunden zu verkaufen und 80% der Aufwand, intern alle zu überzeugen, dass das so umgesetzt werden muss, Juristen und Controller hin oder her. Ich war ich in jedes Projekt über einer Million Dollar involviert und war bei den Verhandlungen vor Ort. So komme ich auf genau 54 Länder, die ich bis heute besuchte.

Wer aber denkt, da hätte ich viel gesehen, liegt falsch. Ich habe mal ausgerechnet, dass ich mindestens 80 Mal in New York war. Ich habe aber die Freiheitsstatue nur mal aus weiter Ferne aus dem Flugzeug gesehen. Nein, die Touristenattraktionen waren es nicht, die mich an diesem Job reizten. Es waren die verschiedenen Kulturen, mit denen ich bei den Verhandlungen zu tun hatte. Ich glaube, ich lernte so mehr über die jeweiligen Länder kennen, als jeder beliebige Backpacker. Klar, bei einigen Reisen konnte ich eine Woche Ferien anhängen. Dann trieb es mich jeweils aufs Land, wo ich die verrücktesten Sachen machte. Alleine auf einer Insel übernachten, ohne Wasser, ohne Strom, Mithelfen in einem Elephantencamp in Thailande, ein Wochenende auf Inline-Skates am Lake Michigan oder Besteigungen von Vulkanen, so war ich drei Mal auf dem Pinatubo in den Philippinen. Und natürlich Musik. Was trieb ich mich in Musikbars rum. Das “Dusk Till Down” in Hong Kong hatte ich schon im letzten Beitrag erwähnt. Besonders angetan war ich aber von den verrauchten Blues Bars in Chicago.

Etliche Hotels kannte ich in- und auswendig. Bei 3 weltweiten Hotelketten (Intercontinental, Marriott, Hilton) hatte ich einige Jahre den höchsten Grad der Gästeprogramme gleichzeitig inne. Das benötigt 150 Nächte pro Jahr, die ich in einem Hotel verbrachte. Es gab eine Zeit, da war ich alle 2 Wochen in den USA, ich musste aufpassen nicht steuerpflichtig zu werden, das wird man automatisch, sobald man 180 Tage in den USA verbringt. Es gab etliche Highlights, wo ich übernachtete. Waldorf-Astoria In New York, Ritz-Carlton in Singapur, das Four Seasons in Hong Kong, das Imperial in Tokyo, um nur einige zu nennen. Meine Seifen- und Shampoo-Sammlung war riesig…

Kunden verwöhnen und selbst verwöhnt werden war lange Zeit die Maxime der Computerhersteller. Ich weiss nicht mehr, wie oft ich mit meinem Kunden an einem Formel1 Rennen war, im exklusiven Paddock Club. Einmal flog ich mit einem Manager des Kunden nach Peking an eine Veranstaltung. Am Abend hatten wir für den Anlass ein Nachtessen auf der Chinesischen Mauer geplant, etwas, das die BEwilligung hoher Regierungsstellen in China erfordert. Belohnungen für die besten Verkäufer der Welt gab es auch. Von meinem Team konnte jeweils nur einer an die jährliche Incentive-Veranstaltung, aber wir konnten jedes Jahr jemanden senden. Erst zum Schluss kam ich dran. Eine Woche Hawaii und als Abschluss ein Privatkonzert von Sting, der gerade auf seiner “Brand New Day” Tour war.

Bei so vielen Reisen leidet eines: Das soziale Netzwerk. Wenn ich am Wochenende mit Freunden zum Skifahren abmachte, dann aber am Donnerstag Morgen, zurückkommend aus Chicago, eine Sprachnachricht da ist, dass am Feitag in London ein Krisenmeeting stattfindet und man das zweimal macht, fragt schlussendlich niemand mehr nach, ob man auch Skifahren komme. Daher legte ich ein paarmal eine Pause ein, machte mich selbständig und bot mich Firmen in der Schweiz als Berater an. Doch nie lange, das globale Geschäft und die komplexen Problemstellungen die ich vorfand, reizten mich immer wieder. DEC, Compaq (die DEC übernahmen), HP (die Compaq übernahmen), Sun Microsystems (die von Oracle übernommen wurden) waren meine Stationen, aber immer der gleiche Kunde.

Bei so vielen Reisen leidet auch etwas mehr: Die Gesundheit. Schlaf, Jetlag, unregelmässiges Essen, Klimaänderungen innert kürzester Zeit (darum flog ich mit dem Wintermantel nach Singapur, weil ich anschliessend nach Peking reiste und dort herrschten minus 40 Grad). Schlussendlich kam es zum Burnout und dann 2013 das Kammerflimmern. Danach folgte der endgültige Rückzug aus diesem nervenaufreibenden globalen Geschäft. Und schliesslich folgte die Frühpensionierung.

.Warum schreibe ich das? Ich wollte zeigen, wie einfach es ist, Mitarbeiter in ein Hamsterrad zu zwingen. Was zunächst so toll klingt, fordert irgendwann seinen Preis. Das passiert schon bei ganz normalen Mitarbeitern, deshalb bin ich ein strikter Gegner von Modellen wie Amazon, Uber, Zalando oder Tesla. Was bei uns noch Köder brauchte, all der Luxus der uns geboten wurde, erfolgt heute über Druck. Elon Musk ist ein typisches Beispiel. Darum sollten wir uns wirklich überlegen, ob wir solche Firmen unterstützen wollen. Und jeder sollte sich über sein eigenes Hamsterrad bewusst werden und allenfalls Gegensteuer geben.

Das Foto zeigt eine meiner Zementscheiben, gespachtelte Acrylfarbe, die von links nach rechts die Farben der jeweiligen Jahreszeit darstellen. Die Four Seasons. Das Hotel in Hong Kong mit dem Namen und meine Reisen, die mich jeweils innerthalb von wenigen Tagen, ja gar Stunden, durch alls 4 Saisons brachten.

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